Mein Vater Michail Lwowitsch Werzhbinskiy
von Nina Werzhbinskaja-Rabinowich
Nina Werzhbinskaja-Rabinowich
„Vater und Tochter: 52“
Aquarell, 1999
MEIN VATER MICHAIL LVOVICH WERZHBINSKIY
Dies ist ein Versuch über meinen Vater, Michail Lwowitsch Werzhbinskiy (1909–1962) zu schreiben. Über ihn zu erzählen fällt mir schwerer als über meine Mutter zu schreiben: Der Vater starb, als ich im fünfzehnten Lebensjahr war. Und mit der Mutter habe ich 55 Jahre zusammen ohne Trennung verbracht, von meiner Geburt bis zu ihrem Tod…
Die Ehe meiner Eltern war für beide die zweite, sie hatten je einen Sohn, beide waren 10 Jahre älter als ich. Meine Eltern hatten ein Jahr nach dem zweiten Weltkrieg geheiratet, ich wurde 1947 geboren. Ich schreibe darüber, um zu erklären, wie kurz die „Vater-Mutter-Kind“ Familie existierte, das habe ich erst jetzt begriffen. Damals kamen mir 15 Jahre wie ein ganzes Leben vor. Im Unterschied zu meiner Mama, die immer gerne und ausführlich meine Fragen beantwortete (ich habe sie von klein auf über ihr Leben und ihre Familie ausgefragt), ich kann mich im Gegensatz dazu an solche Gespräche mit meinem Vater nicht erinnern. Über seine Familie und über Ereignisse seines Lebens erfuhr ich sozusagen nur „aus zweiter Hand“: Von der Mama und von den Verwandten. Nichtsdestotrotz versuche ich hier das Bild des Menschen zu zeichnen, der für mich so wichtig ist und zu früh aus meinem Leben ging.
Michail Lwowitsch Werzhhbinskiy wurde am 3. November 1909 in Petersburg geboren. Er war das älteste Kind in der Familie. Beide Eltern waren Juden - seine Vorfahren hatten mindestens seit zwei Generationen in Petersburg gelebt - er gehörte zu der dritten Generation. Die Gesetze im zaristischen Russland, die die Sesshaftigkeit der Juden begrenzten, machten zwei Ausnahmen: Für Familien der reichen Kaufleute oder für Kantonisten. Letztere waren die Soldaten, die aus dem Schtetl in die Zarenarmee einberufen wurden und 25 Jahre lang dort Wehrdienst leisteten. Nach Familienlegende kam es irgendwie zu einer Übereinstimmung der beiden Gegebenheiten: Einer seiner Vorfahren war Soldat in der Armee des Zaren Nikolaus I. Er hatte eine Kaufmannstochter geheiratet. Und dieser Soldat brachte es fertig, kein Maran zu werden, er hatte den hebräischen Glauben behalten, blieb ein Jude - was nicht leicht war1). Im Hause meiner Großmutter väterlicherseits hing ein kleines Ölporträt einer sehr jungen Frau – fast eines Mädchens – in Biedermeier Art. Es befindet jetzt sich in der Wohnung meiner Cousine in Petersburg. Dieses Mädchen hielt ich für die Kaufmannstochter, die zukünftige Frau des Soldaten von Zar Nikolaus I. Tatsächlich war es aber ein Familienporträt. Ob mein Eindruck mit der Realität übereinstimmt, weiß ich nicht.
Ich erinnere mich an ein Detail, das ich von Mama – nicht von meinem Vater – gehört hatte. Mein Großvater hatte den biblischen Namen Yehuda. Der Name ist für die Christen –der Name eines Verräters. Als der Großvater ins Gymnasium aufgenommen wurde, begannen ihn seine Mitschüler zu verspotten. Daraufhin gingen meine Urgroßeltern zum Rabbi. Und der suchte einen Ersatznamen für ihren Sohn: Lew. So wurde mein Vater zu Michail Lwowitsch. Es scheint, dass die Familie nicht streng gläubig war.
Foto 1: Mein Großvater Lew Werzhbinskiy Foto 2: Mischa Werzhbinskiy als Kind
Die Wohnung, in der Mischas Kindheit verlief, befand sich in der Tschaikowsky Straße, fast an der Ecke vom Liteynyi Prospekt. Ein Häuserblock weiter in Richtung zum Newa-Fluss wurde in den dreißiger Jahren das so genannte „Große Haus“ anstatt des im Jahre 1934 niedergerissenen Sergiewskyi Domes, gebaut, das Gebäude der Geheimpolizei KGB. Das „Große Haus“ wird eine Episode im Leben meines Vaters spielen, aber mehr darüber später.
In der Wohnung herrschte eine besondere Atmosphäre, irgendwie wie vor der Revolution von 1917 , die ich als Kind – noch ohne Geschichtskenntnisse über mein Land – doch spürte. Obwohl in der Zeit meiner Kindheit, den Fünfziger Jahren, fast alle Wohnungen im Altbau Kommunalwohnungen waren (einige Familien wurden ohne ihren Wunsch zusammengepfercht), zum Unterschied von der skandalträchtigen „Kommunalka“, in der ich seit meiner Geburt bis zu unserer Emigration im Jahre 1977 wohnte, wurden dort nur drei Familien untergebracht. In unserem „Krähennest“2) lebten nahe beieinander neun Familien, in den „besten“ Jahren erreichte ein solcher „Viehbestand“ bis zu 30 Köpfen. Die drei Familien in der Tschaikovsky Straße lebten friedlich miteinander, ganz anders als bei uns in der Wohnung.
Die Möbelausstattung war in meinen Kinderaugen prächtig: altertümliche Stücke im Stil Chippendale, verschiedene Vasen, ein Klavier, ein Bett mit gedrehten Säulen am Kopfende, der von mir heißgeliebte verspielte Luster, eine Tischlampe aus Bronze in Gestalt eines Laterne tragenden Bergarbeiters, geschnitzte Kleiderkästen und eine Holztruhe – die gleichzeitig auch Sitzbank war. Die Truhe war tatsächlich aus der Renaissancezeit. Sie wurde für die Dreharbeiten des Films „Was ihr wollt“ („Twelfth Night“) von dem Filmstudio Lenfilm ausgeborgt und speziell dafür restauriert: eine Armlehne, die während der Leningrader Stadtbelagerung als Brennholz verwendet worden war, hatte man neu hergestellt. Das gleiche Schicksal teilte die Armlehne eines Sessels im Chippendale Stil.
Ich war immer der Meinung, dass diese Wohnstätte von Anfang an der Wohnsitz der Familie meines Vaters gewesen war und dass nach der Revolution eine „Wohnflächenverteilung“ (buchstäbliche Übersetzung „Verdichtung“) durchgeführt worden wäre. Dann kamen die Nachbarn. Erst ganz vor kurzem erfuhr ich,dass es so nicht war3). Tatsächlich hatten sich entfernte Verwandte der Eltern meines Vaters entschlossen, im Jahre 1917 für einige Zeit ins Ausland zu gehen und dort die „Unruhen“ abzuwarten, um später – wenn alles wieder in alten Bahnen verlaufen würde – zurück zu kommen. Der Familie des jungen Chemikers, des Universitätsabsolventen Lew Werzhbinskiy und seiner Frau Adelaida – damals schon mit drei Kindern – wurde vorgeschlagen, diese Zeit in der Wohnung zu verbringen, um darauf aufzupassen, dass dort nichts zu Schaden käme. Aber die reichen Verwandten hatten falsch gerechnet. Ruhige Zeiten kamen nicht mehr, nach Petrograd (Leningrad – Petersburg) zurückzukehren war ihnen nicht beschieden, Werzhbinskys aber wohnten in verschiedenen Kombinationen noch sehr, sehr lange in dieser Wohnung, bis Anfang der 1990er Jahre. Am Anfang hatten sie die ganze Wohnung, dann – nach der „Komprimierung der Bewohner“ – nur zwei Zimmer, später, als ein Teil der Familie nach Poklonnaja Gora in eine Genossenschaftswohnung umzog, hatten sie nur ein Zimmer. Und die gesamte repräsentative Einrichtung wurde der jungen Familie ebenfalls anvertraut. Ehrlich gesagt, das hat mich etwas enttäuscht. Seit meiner Kindheit fand ich vieles an der Familie und an ihren Gewohnheiten fast aristokratisch, die Möbel hatten es sozusagen unterstützt – und dann kam eine derartige Entlarvung…
Foto 3: Baba Adya vor der Revolution
Über meinen Großvater weiß ich fast gar nichts. Er starb früh, noch vor dem Zweiten Weltkrieg nach einer Herzkrankheit, wie es scheint, und es wurde selten über ihn gesprochen. Baba Adya (Adelaida, geborene Leybowitsch), im Gegenteil, hatte für damalige Zeiten ein langes Leben, erlebte die schweren Jahre nach der Revolution, den Stalinistischen Terror mit den alltäglichen und allnächtlichen Ängsten vor einer Verhaftung, die Evakuierung und Rückkehr nach dem Ende der Stadtbelagerung während des Zweiten Weltkrieges. Sie war nie berufstätig, aber arbeitete ihr ganzes Leben lang für ihre Familie, zog nicht nur ihre eigenen drei Kinder groß, sondern auch zwei Enkel dazu, die Tochter meiner Tante Alya und meinen Halbbruder väterlicherseits, den Sohn Michail Lwowitsch aus der ersten Ehe. Der Ehemann der Tante Nina, der jüngsten der Töchter von Baba Adya, kam ein Jahr nach der Hochzeit an die Front und fiel in den Kämpfen bei Leningrad im Jahr 1944. Nina, die jüngste Schwester meines Vaters, lebte als Witwe weiter in der Familie ihrer Schwester und Mutter. Baba Adya führte den gemeinsamen Haushalt auf einem hohen Niveau. Alle anderen Familienmitglieder – der Schwiegersohn, die beiden Töchter und der Sohn – waren ständig beschäftigt. Die Zeit war unter sowjetischer Regierung. Und die Frauen arbeiteten selbstverständlich wie die Männer.
Tante Nina war Architektin, Tante Alya Ingenieurin und mein Vater – Mathematiker. In jungen Jahren sang Baba Adya. Sie hatte eine ausgebildete Solostimme, schönen Mezzosopran. Ich hörte von Papa, dass sie beim Baden der Kinder oft die Arie der Dalilah aus der Oper „Samson und Dalilah“ von Camille Saint-Saëns sang. Und jedesmal, wenn ich diese zauberhafte Melodie höre, denke ich immer an die damalige Situation.
Foto 4: Tante Alya Foto 5: Tante Nina
Tante Alya und Tante Nina waren beide schöne Frauen, rothaarig mit dunkelbraunen Augen. Eine Zeitlang hing bei mir eine Reproduktion des Bildes von Auguste Renoir „Mädchen in Schwarz“ – sie sehen so aus wie meine Tanten. Papa aber war ein brünetter Typ, nach Meinung einer meiner Freundinnen ein „babylonischer Jude“: große ausdrucksvolle Augen, dichte Brauen und eine große, sogar sehr große Nase. Gott hat uns Frauen der Familie davor bewahrt. Während des Krieges und danach löste er das Problem der Glatze, die er früh bekam, radikal: er rasierte regelmäßig den Kopf. Seine dichten Augenbrauen und der Schnurrbart glichen das Fehlen der Haare aus. So bleibt er mir in Erinnerung. Auf den Vorkriegsfotos erkenne ich ihn nicht: ein vollschlanker junger Mann mit welligem Haar. Faktum ist, dass die Tatsache seines glattrasierten Kopfes sehr günstig für meine Biografie wurde: als Mama den Brief meines Vater mit seinem Foto von der Front bekam (sie hatten sich kurz vor dem Krieg kennengelernt und standen in keiner näheren Beziehung), war sie positiv überrascht von den Veränderungen seines Äußeren und seiner mannhaften Erscheinung. Das weiß ich von ihr persönlich.
Kommen wir zurück zu den ersten Jahren nach dem Ende des Bürgerkrieges. Papa und Tante Alya besuchten die naheliegende Tenischewsky-Schule (eine berühmte Lehranstalt, die Wladimir Nabokow absolvierte und kurz vor ihm auch Osip Mandelstam). Zu dieser Zeit wurde die Tenischewsky-Schule in die Arbeiterschule Nr.15 umbenannt, aber die Professoren blieben dieselben. Tante Nina konnte nicht in diese Schule gehen, sie studierte in einer anderen.
Laut meinem Papa gelang es ihm, ohne den Roman „Oblomow“ von Iwan Gontscharow gelesen zu haben, an einer Diskussion darüber in der Klasse teilzunehmen und sogar seine sehr originelle Anschauungsweise des Romans zu vertreten. Es ist interessant, dass ich anscheinend genetisch Ähnliches vererbt bekam: auch ich musste in der neunten oder zehnten Schulstufe dieses Buch lesen und … hatte es nicht gemacht. Ich schrieb einen durchschnittlichen Aufsatz voll von Banalitäten, bekam dafür eine passable Note und – etwa dreißig Jahre danach – las ich zu meinem Glück diesen hervorragenden Roman doch und lernte ihn schätzen. Ich glaube, die am Anfang des Buches meisterhaft beschriebene Atmosphäre des tiefen Schlafes von Körper und Seele machte auch mich schläfrig.
Nach Mamas Erzählungen, in der Zeiten von NEP4) hatte die Familie meines Vaters einiges an Eigentum: das Schlepperschiff mit den Namen "Trudovik“5) und ein Geschirrgeschäft. Hier zeigte mein Vater plötzlich einen wahren politischen Instinkt und eine richtige Einschätzung der Situation: er war strikt gegen die Beibehaltung des Privateigentums durch die Familie. Und als bald danach NEP beendet wurde, haben sich Werzhbinskys sowohl von dem Schlepperschiff als auch von dem Geschirrladen verabschiedet. Ich denke, das rettete die Familie vor den wahrscheinlichen Verfolgungen in den späteren Zwanziger Jahren.
Anfang der Dreißiger Jahre musste Michail doch im Gebäude in der Nachbarschaft – dem so genannten „Großen Haus“ – einen Monat in Untersuchungshaft verbringen. Während seines Studiums an der Universität gab er Nachhilfestunden in Mathematik für die Kinder einer Familie, in der alle verhaftet worden waren. Alle Personen, die deren Haus oft besucht hatten, wurden von den Behörden durchleuchtet. Aber Vaters Themen waren nur mathematische Gleichungen gewesen und er wurde freigelassen – Glück gehabt.
Mein Vater studierte, wie auch sein Vater, an der Universität: das erste Jahr in Studienrichtung Astronomie, dann aber wechselte er zur Mathematik. Und dort suchte er sich aus dem abstraktesten Gebiet das aus, was offensichtlich keine Anwendung hat: die Zahlentheorie. In meiner Vorstellung ist sie ein am weitesten von Naturwissenschaft entferntes und am nächsten zu Philosophie stehendes Terrain. Vaters Beziehung zur Wissenschaft war von ehrfürchtiger Art, der Liebe zu Musik nahe. Er arbeitete zu Hause an seinem riesigen Schreibtisch immer in Begleitung von Langspielplatten klassischer Musik. An erster Stelle stand J. S. Bach, ihm folgten van Beethoven und Schostakowitsch. Dieses Bild steht mir auch jetzt vor Augen: im Zimmer der Eltern ist es halbdunkel, es brennt die Tischlampe (Tageslicht-Leuchtstofflampe, Papa liebte die Neuigkeiten der Technik), Papas Profil neigt sich über ein Manuskript, und es klingt Musik von Bach.
Zu seinem damaligen Freundeskreis gehörten der zukünftige Akademiker6) und Rektor der Leningrader Universität7) Aleksander Danilowitsch Aleksandrow, und der zukünftige Dekan des Chemiefakultät Andrey Nikolaewitsch Murin. Damals waren alle drei Studenten und Doktoranden..
Die wichtigste Rolle für meine Biografie spielte der letztere, Andrey Murin. Er war zwei Jahre älter als meine Mutter Eleonora Gomberg, ging mit ihr in die gleiche Klasse, sie waren befreundet. Ausgerechnet er machte meine Eltern vor dem Krieg miteinander bekannt. Nach Mamas Erzählung gingen sie beide mit ihren dreijährigen Kindern (sogar die Geburtstage hatten sie im gleichen Monat) Gleb, Sohn meines Vaters, und Alexey, Sohn meiner Mutter, im Admiralteyskiy Garten spazieren (jetzt heißt der Garten wieder wie vor der Revolution Alexanderowskiy). Damals hatte keiner geahnt, wie sich die Ereignisse in sechs bis sieben Jahren entwickeln würden. Michail Lwowitsch war schon von der Mutter Glebs geschieden: die Ehe war sehr kurz, und seine Frau Rosa verließ bald nach der Geburt des Kindes die Wohnung in der Tschaikowsky-Straße, ließ den kleinen Sohn in der Pflege der Schwiegermutter und der Schwägerinnen zurück. Nach einiger Zeit holte sie Gleb zu sich, aber im Verlauf seiner ganzen Kindheit (auch nach dem Krieg) war er sehr oft bei Baba Adya und den Tanten Alya und Nina. Fast täglich kam er nach der Schule ins Haus in der Tschaikovsky-Strasse. Dort wuchs auch – ein Jahr jünger als er – die Tochter von Tante Alya und Onkel Wassya – Tanetschka auf. In der ersten Zeit musste Baba Adya die beiden kleinen Kinder großziehen, weil die Eltern den ganzen Tag in der Arbeit waren.
Foto 6: Gleb in den Armen von Tante Nina in der Tschaikowsky-Straße
Ein Jahr später nach dem bedeutungsträchtigen Treffen meiner Eltern – und meiner älteren Brüder – begann der Krieg. Der Vater verteidigte zu dem Zeitpunkt seine Dissertation und wurde aus diesem Grund nicht eingezogen, aber er meldete sich in den ersten Tagen des Krieges freiwillig an die Front, die sich mit gigantischer Geschwindigkeit der Stadt Leningrad näherte. Vor dem Einzug in die Armee ließen alle drei Männer der Familie aus der Tschaikowsky-Straße – Michail Werzhbinskiy, Wassili Skragan, Tante Alyas Mann, und Josiph Karnibad, Tante Ninas Mann – ihre Zivilkleidung in einer Truhe zurück. Nicht in der italienischen einer Renaissancetruhe, sondern in einer gewöhnlichen… und was wurde dort nach der Rückkehr der Familie aus der Evakuierung entdeckt? Eine Matrosenuniform und fremde Socken, keine Spur des Zivilgewandes der drei Männer! In der Wohnung wechselten sich Übergangsbewohner ab, es wurde mit den Möbeln im Chippendale-Stil wegen des Mangels an Brennholz geheizt. In den fast drei Jahren der Stadtbelagerung und Bombardements wurden die Fensterscheiben eingeschlagen und in den Kriegswintern war der Esstisch aus der gleichen Möbelgarnitur schief geworden. Jetzt steht er genauso wie auch vor 100 Jahren da, und an ihm sitzen die Gäste meiner Cousine Tanya, jetzt in der Furschtadskaja -Straße und nicht in der Tschaikowsky-Straße. So ist er mir noch lieber: wie das Gesicht eines nahestehenden Menschen, von Furchen gezeichnet und trotzdem geliebt. Der venezianische Luster in Form einer Lotosblume hatte auch in den Jahren der Stadtbelagerung gelitten: ein Blumenblatt zerbrach und wurde irgendwie in den Nachkriegsjahren wieder befestigt. Der Luster ist untrennbar mit dem Esstisch in Furschtadskaja verbunden.
Alle Frauen und Kinder der Familie aus der Tschaikowsky-Straße hatten es zum Glück geschafft, rechtzeitig ins Hinterland evakuiert zu werden. Mehr als drei Jahre unter schwierigen Verhältnissen mussten sie dort verbringen. Das war aber nicht zu vergleichen mit dem Albtraum des Lebens (oder des Sterbens) in Leningrad während der Blockade. Beide meiner Tanten, Baba Adya und die kleine Tanya, kamen in die Stadt Akmolinsk, Kasachstan, und der vierjärige Gleb wurde mit dem Kindergarten ohne seine Mutter Rosa evakuiert. Sie durfte ihre Arbeitsstelle in einer Fabrik, in der sie als Ingenieurin gearbeitet hatte, nicht verlassen. Der Zug, in dem Gleb mit anderen Kindern befördert wurde, war unter Beschuss der feindlichen Flugzeuge geraten – so schnell war der Anmarsch der Faschisten gewesen, und die Routen der Evakuierung konnten verhängnisvoll werden. Gleb erinnerte sich, dass alle Kinder den stehengebliebenen Zug verlassen mussten und ihnen befohlen wurde, sich unter den Waggons auf die Gleise zu legen.
Mein Vater, einen Kurs für schnelle Umschulung vom Mathematiker zum Artilleristen absolvierend, wurde der Kommandeur der Luftabwehrbatterie auf den Pulkowo Höhen bei Leningrad, sie beschoss die deutschen Flugzeuge, die auf die Stadt zum Bombardement flogen. Von meinem Bruder Alexey erfuhr ich erst vor kurzem, dass mein Vater den Posten nicht nur seiner mathematischen Kenntnisse wegen bekam, sondern auch dank seiner besonders kunstvollen Fähigkeit zu pfeifen: Er besaß ein ausgezeichnetes musikalisches Gehör, er konnte die Melodien der klassischen Musik genau nachpfeifen. Das war einem professionellen Militär, auch einem Musikliebhaber, aufgefallen. Dieser suchte meinen Vater aus den anderen Rekruten aus, erfuhr, dass er ein Mathematiker von Beruf war und so wurde mein Vater der Kommandeur der PVO (Flugabwehr)-Batterie. Ein außerordentlich interessantes Dokument blieb erhalten: von meinem Vater August 1941 an Freunde geschriebener Brief aus dem damals noch nicht belagerten Leningrad mit einer Bitte, ihm ein Buch über äußere Ballistik zu schicken:
7/VIII 41 Liebe Olya!
Es ist ein rein geschäftlicher Brief. Ich habe eine große Bitte an Dich: sende mir irgendein Buch über äußere Ballistik. Aber etwas Seriöses mit ausführlichem mathematischem Apparat und eventuell auch Tabellen. Die Sache ist die: es kam mir eine Idee, würde gerne sie realisieren. Im Buch müsste die Frage untersucht werden, wie ein Geschoss in der Luftatmosphäre fliegt, in mathematischem Sinn sind es Differenzialgleichungen. Es ist sehr wichtig. Ich bedanke mich in voraus. Nebenbei bitte Tante Julia das Konfekt zu schicken (wenn es gibt Schokolade in Tafeln) und Toilettenseife. Es wäre nicht schlecht auch Schreibpapier (am besten nicht liniert).
[Anmerkung am Rand: Das ist nicht notwendig.]
(Ich) Bekam Briefe von Rufa und Tamara. Rufa´s Bruder, Oßka, ist verwundet, er hofft, es wäre leicht, aber es ist die Schulter, und er ist ein Maler.
Noch einmal bitte die Adresse von Glebotschka zu schicken. Alles Gute. Beste Grüße an Lidia Jakowlewna, Josephina, Borya u.s.w.
Mischa
Dieser Brief und noch einige Blätter der Feldpost zusammen mit der Zeichnung „Getöteter Soldat“ sind jetzt in unserem Familienarchiv in der Bibliothek der Universität Notre-Dame in Indiana aufbewahrt8).
https://archivesspace.library.nd.edu/repositories/3/resources/1944
Foto 7: Der Brief von der Front
Foto 9: Der tote Soldat
Foto 8: Der Vater an der Front
Mein Vater wurde mit dem Orden des „Roten Stern“ ausgezeichnet, der wurde in seinem Schreibtisch aufbewahrt und ich liebte es ihn anzuschauen. Die Strahlen des Sternes waren von meiner Lieblingsfarbe – dunkelroter Rubin. Der Mann mit Gewehr auf dem silbernen Kreis in der Sternmitte schien mir der Mann auf dem Mond zu sein. Bei der Ausreise aus der UdSSR im Jahre 1977 wurde uns nicht erlaubt den Orden mitzunehmen und ich weiß nicht, wo er sich jetzt befindet.
Text der Ordens-Liste von der website „Heldentat des Volkes“ Werzhbinskiy Michail Lwowitsch 1909 Geburtsjahr
Militärischer Rang: Unterleutnant
Datum der Heldentaten: 16.071944, 21.07.1944, 23.07.1944
Erlass über die Ordenverleihung und die Begleitpapiere
Orden des „Roter Stern“
Hier steht die Beschreibung der Heldentaten, für die Begründung der Verleihung des Ordens meinen Vater.
«При прорыве оборонительной полосы противника 16.7.44 г. в районе д. Хряпино своей батареей подавил 3 орудийную 105 мм. батарею противника цель 128. 21.7.44 г. в районе д. Демешкино под сильным арт. Обстрелом ОП продолжал вести сосредоточенный огонь по скопленнию пехоты в районе выс. 98,7, уничтожил при этом до 40 солдат и офицеров противника и сорвал контратаку. 22.7.44 г. при смене боевого порядка из района д. Гусаково в район д. Волочно на марше при налёте авиации противника на колонну сумел быстро рассредоточить и замаскировать трактора и орудия. Этим самым сумел избежать потерь.»
Über den Krieg erzählte mir mein Vater nicht viel, aber doch mehr als über etwas anderes aus seinem Leben. Aus seinen Erzählungen weiß ich, dass die Schützengräben der Deutschen so nah waren, dass nachts, als es keine Gefechte gab und es still wurde, er und seine Soldaten die Gespräche in deutscher Sprache hörten… Ihm als Offizier wurde ein Offiziersbursche zugeteilt, wie es in der Zarenarmee üblich und von Stalin wieder eingeführt worden war. Der Offiziersbursche putzte meinem Vater seine Stiefel, seinen Militärmantel und war wie sein Diener. Für mich, durch und durch infiziert mit der „Klassenpropaganda“ gegen die Zeiten „des Albtraumzarismus“ (unser beliebter scherzhafter Familienausdruck), war es sehr befremdlich: mein Papa als ein Adeliger, nicht gut. Als ich einmal Vater fragte, wozu es Schmerz überhaupt gibt (ich hatte vor physischem Schmerz sehr große Angst), erklärte er es mir mit dem Beispiel aus seiner Erfahrung im Krieg: „Ich bin einmal in der Nähe des Lagerfeuers eingeschlafen, mit den Füßen zum Feuer. Die Stiefel begannen zu brennen, aber ich schlafe weiter, bis den Füßen heiß wurde und es mir weh getan hat. Wenn es keinen Schmerz gäbe, würde ich ohne Füße aufwachen“. Das hat mich überzeugt, dass es ohne Schmerz nicht geht. Die Decke, die aus dem Militärmantel nach dem Krieg genäht wurde, begleitet mich das ganze Leben. Auch jetzt, in meiner Wohnung in Wien, erinnert sie mich an die Geschichte mit den angebrannten Stiefeln.
Und noch ein Detail: das Gehör Vaters wurde durch die Jahre in der Luftabwehrbatterie beschädigt. Ich merkte es, als wir einen Sommerurlaub in Alupka auf der Krym verbrachten: er hörte die Grillen nicht, und das war so merkwürdig! Aber auch sein geschwächtes Gehör hinderte Vater nicht, die für ihn so wichtige Musik zu genießen.
An diesem Brennpunkt, auf den Pulkowsky Höhen, verbrachte Vater alle Jahre der Stadtbelagerung von Leningrad. Nur in den letzten Monaten wurde seine Einheit nach Lettland abgezogen - und von dort wurde er demobilisiert. Tanja, meine Cousine, erinnert sich, wie er zum ersten Mal in die Wohnung in der Tschaikowsky Straße noch vor der Demobilisation gekommen war; die Familie war schon aus der Evakuierung in Kasachstan nach Leningrad zurückgekehrt. Mit ihm war eine Strafkompanie, die er begleiten sollte. Er musste sie irgendwo im Laufe der nächsten Tage abliefern. Einige Tage schliefen die Soldaten in der Küche (sie hätten sonst nirgendwo übernachten können) und – Tanjas Erinnerung nach – zerhackten sie Holzscheite zum Brennholz.
Jetzt kommt in der Erzählung der Punkt, an dem ich in das Leben meines Vater eintrete oder, besser gesagt, ER in mein Leben eintritt. Ich kann mich nicht nur an die Fakten erinnern, die mir durch dritte Personen zugetragen wurden, sondern an meine persönlichen Eindrücke aus den viel zu kurzen zusammen verbrachten Jahren..
Meine Eltern waren nach dem Krieg in einer Lage, die auf keinen Fall als eine glückliche Ehe bezeichnet werden kann.
Meine Mama kam aus Alma-Ata, wo sie mit Sohn und Mutter dreieinhalb Jahren verbracht hatte, nach Leningrad zurück. Dort, in Alma-Ata, weit weg von der Front, hatte sie sich wieder mit dem Vater ihres Kindes, Semjon Michailowitsch (so wurde er von Freunden genannt, und im Pass stand Chairulla Chabebulowitsch) Machmudow zusammengefunden. Er, Absolvent des Instituts für Sprachwissenschaft der Leningrader Staatsuniversität, wurde kurz vor Ausbruch des Krieges nach Kasachstan als „junger Spezialist“ an die Kasachische Staatsuniversität berufen. Später wurde er ein bedeutender Linguist, bis zu seiner Pensionierung war er der Leiter des Lehrstuhls für russische Sprache an der Kasachischen Nationaluniversität. Seit 2010 trägt der linguistische Arbeitskreis seinen Namen: Professor Ch. Ch. Machmudow. Damals aber war geplant, dass er nach ein paar Jahren zu Frau und Kind zurückkehren und in Leningrad eine Arbeitsstelle suchen sollte. Wie man sagt, der Mensch denkt und Gott lenkt: der Krieg brach aus und statt es zur Rückkehr ihres Mannes kam, musste meine Mutter mit ihrem Kind aus Leningrad nach Alma Ata fliehen, bevor sich der Ring der Stadtbelagerung schloss. Die Flucht dauerte zwei Monate, war äußerst schwierig, aber sie schafften es. Im Frühling 1942, nach dem ersten Stadtbelagerungswinter, wurde meine Großmutter mütterlicherseits mit einem Transport über den zugefrorenen Ladoga See („Weg des Lebens“ genannt) aus der ausgehungerten Stadt gerettet und kam auch nach Alma Ata. Meine Oma hieß bei ihrer Geburt Miriam Bella, aber im Pass stand später die „russische Version“ Maria Semjonowna. Noch ein Verwandter, „Wahlonkel“ Iwan Micheewitsch Tschekulaew, fand sich ebenfalls in Alma Ata ein; er wurde Onkel Wanja in der Familie genannt, auch er blieb bis an sein Ende unzertrennlich bei der Familie. Onkel Wanja kam als Kriegsversehrter nach dem kurzen und blutigen Krieg mit Finnland mit einer Kopfverletzung zurück. Er wird noch später erwähnt. Und so lebten die fünf Personen im Universitätswohnheim für Studenten und Professoren mit deren Familien anfangs in einem, später in zwei Zimmern.
Die erste Ehe meiner Mutter war, ehrlich gesagt, keine „Standardehe“. Semjon, in einem tatarischen Dorf geboren, seine Mutter sprach kein Russisch, war ein hochtalentierter Mensch, aber auch ein schwieriger, mit großen Alkoholproblemen. Meine Mutter hatte zwei Ausbildungen: Pianistin an der Konservatorium und Literaturwissenschaftlerin an der Leningrader Staatlichen Universität (nach dem Krieg kam die dritte dazu - Kunstgeschichte). Es gab von Anfang an Differenzen; das Leben auf engstem Raum mit den Entbehrungen der Kriegszeit, die auch im Hinterland sehr spürbar waren, hatte die Beziehung ordentlich durchgerüttelt.
Als die Stadtbelagerung Leningrads durchbrochen wurde und es möglich war, obwohl mit Schwierigkeiten, dorthin zurückzukehren, fuhr meine Mutter als erste der Familie sofort dorthin. Ihr Kind, ihre Mutter, Onkel Wanja und ihr Mann Semjon Machmudow blieben zuerst in Alma Ata. Meine Mutter wollte so schnell wie möglich ihre Position als Professorin an der Universität (LGU - Staatliche Leningrader Universität) wieder einnehmen und auch ihr Zimmer in der Kommunalwohnung, wo inzwischen andere Mieter aus den zerbombten Häusern lebten, zurückbekommen. Nach ein paar Monaten kamen ihr Sohn, ihre Mutter und Onkel Wanja nach Leningrad, aber Semjon Machmudov kam nicht. Nach der Erzählung meiner Mutter Eleonora hatte sie ihre Abreise aus Alma Ata und ihre Rückkehr nach Leningrad nie als Ende ihrer Ehe mit Machmudow eingeschätzt, auch wenn die Beziehung viel schlechter als in der Vorkriegszeit geworden war. Einige Zeit später schrieben ihr Bekannte, dass Machmudow eine Freundin hatte und diese ein Kind erwarte. Direkt von Semjon kamen diesbezüglich keine Nachrichten, und er verweigerte auch nach der offiziellen Eheliquidierung jegliche Unterstützung auch die Unterhaltszahlungen für seinen Sohn in den ersten Jahren. Also wurde meine Mutter mit ihren damals 32 Jahren frei vom Bund der Ehe.
Das Leben von Michail Lwowitsch schaute nach dem Krieg so aus: er trennte sich von der Mutter meines Halbbruders Gleb noch im Jahre 1938, als das Kind noch kein Jahr alt war. Ich erfuhr von meiner Mutter ziemlich spät, dass nach der Trennung von seiner ersten Frau Papa eine Geliebte hatte, sie hieß Lilja. Sie ist nachdem sie die ersten Monate der Stadtbelagerung überlebt hatte und unterwegs ins Hinterland durch „den Weg des Lebens“ gewesen war, an Unterernährung gestorben. Im kurzen Brief von der Front an eine gute Freundin namens Olga Rybakowa teilte mein Vater in knappen Worten diese tragische Nachricht mit, die ihn erst Monate später erreichte: „22/VI 42 Liebe Olja! Am 18. habe einen Brief von Boris, 27 Mai datiert. Er teilt mit, dass Lilja Lurje und ihre Eltern tot sind. Es war schon vor drei Monaten. Sie kamen nur bis Kirow. Bei mir ist alles gleich. Die Stimmung ist nicht besonders, was aber verständlich ist...“
Wie ich schon erwähnte, standen meine Eltern ein paar Mal in gegenseitigem Briefwechsel (erinnert Euch an das „mannhafte“ Foto meines Papa, das Mama beeindruckte?), und jetzt befanden sie sich beide in ihrer Heimatstadt. Ein Geschiedener und eine Geschiedene. Aber Papa als echter Gentleman traf Rosa, seine erste Frau und Mutter seines Sohnes Gleb, und schlug ihr den Versuch vor, alles neu zu beginnen. Nach dem Krieg mit seinen Schrecken, Verlusten und Erschütterungen schien es möglich, die zerbrochene Vergangenheit zu restaurieren. Rosa nahm diesen Vorschlag aber nicht an. Wie ich jetzt weiß, war in ihr Leben ein gewisser Leonid eingetreten (außer seinem Namen weiß ich nichts über ihn). Rosa hoffte, er hätte ernste Absichten in Bezug auf eine gemeinsame Zukunft und deswegen sagte sie meinem Vater „nein“. Sie blieb bis ans Ende ihres Lebens allein. Und Papa ging leichten Herzens zu meiner Mutter und wurde dort willkommen geheißen. Auf diese Weise bekam ich das Recht zu leben, weil, wenn ich die Tochter von jemand anderem wäre, würde ich nicht mehr die gleiche „ich“ sein!
In Wirklichkeit erzählte mir niemand, wie die Annäherung meiner Eltern ab dem Tag ihrer Bekanntschaft ein oder zwei Jahre vor dem Krieg bis zu der Rückkehr nach Leningrad 1945 verlief. Es war sicher ein Prozess, über den ich nie etwas erfahren werde. Mama hat mir nur über das Foto von der Front erzählt, das auf sie einen starken Eindruck gemacht hatte, sonst keine Details.
Mein Vater tauschte das Zimmer, das er von der Stadt bekommen hatte, um und zog in die Kommunalwohnung in Wassiljewski-Insel ein, wo Mama mit meinem damals kleinen Bruder wohnte. Es gelang ihr in das vor dem Krieg bewohnte Zimmer zurückzukehren. Auch die Großmutter mit ihrem ewigen Begleiter, Onkel Wanja, zog ins „Krähennest“. Wir waren die „Privilegierten“ - unsere (nach meiner Geburt) sechsköpfige Familie bewohnte drei große Zimmer, andere lebten bis zu fünft in einem einzigen. Es gab nur eine Toilette (Jahre später wurden es zwei Toiletten), ein Bad und eine riesige Küche. Sie war an dem anderen Wohnungsende und man musste von unseren Zimmern bis zu ihr fünfzig Schritte machen…
Für meinem Vater war die Lage des Wohnsitzes sehr günstig: er unterrichtete im Bergbau-Institut (jetzt die Staatliche Bergbau-Universität Sankt Petersburg) auf der Wassiljewski-Insel, und unser Haus befand sich an der Kreuzung Bolschoy Prospekt und Vierte Linie9). Mama ging zu Fuß zur Arbeit in das Institut für Kunst-Geschichte der Staatlichen Leningrader Universität den Newa Kai entlang, bei den Sphinxen nach links, und Papa ging bei den Sphinxen nach rechts. Haushalt und Kinderbetreuung waren die Aufgaben der Großmutter und des Onkel Wanja. Die Eltern arbeiteten als Professoren (Unterricht) und Wissenschaftler. Eine Anstellung an der Hochschule beinhaltete auch Forschung und regelmäßige Publikationen.
Mein Bruder und ich hatten eine Reihe von Kindermädchen, die alle vom Land kamen und einander abwechselten. Sie kamen in die Stadt, um der Kolchose zu entfliehen. Die Arbeitsbedingungen dort waren miserabel, die Kolchosniks bekamen keine Papiere bis 1974, um ihre Flucht in die Städte unmöglich zu machen. Die Möglichkeit, sich dem zu entziehen und einen Pass zu ergattern, war für Burschen der Militärdienst (drei Jahre als Soldat oder 5 Jahre in der Flotte), und für Mädchen im Alter von knapp 16 Jahren, als ein Personalausweis ausgestellt werden durfte – die Anstellung als Putzfrau oder Haushilfe in einer Familie in der Stadt.
Die Kindermädchen wohnten auch mit uns zusammen im Kinderzimmer, das durch einen Kleiderkasten geteilt war. Ich kann mich an drei von ihnen erinnern: Marussja, die nicht mehr jung war; Lussja, ganz jung, sie machte die Abendschule fertig, während sie bei uns wohnte; meine Mama half ihr bei Hausaufgaben, und an Tonja. Tonja war das letzte der Kindermädchen; ich war ungefähr neun Jahre alt, als sie plötzlich verschwand, ohne jemanden ein Wort zu sagen. Ein halbes Jahr später wurden wir von Milizionären heimgesucht, die uns über Tonja ausfragten – sie war Mitglied einer Diebesbande geworden und alle wurden verhaftet. Ihr Lieblingssager „Ich bin doch ein anständiges Mädel“ wurde bei uns zum Familienzitat.
Die Eltern bewohnten eines von unseren drei Zimmern. Ihr sogenanntes „großes Zimmer“ diente ihnen als Arbeitskabinett, Bibliothek und Schlafzimmer, und wenn wir Besuch hatten, war es auch Salon. Es war ein sehr schönes Zimmer mit einem offenen Kamin und einem hohen Kachelofen, hatte einen Erker mit vier Fenstern. Es war unmöglich es in den damals noch sehr strengen Leningrader Wintern (die Temperatur fiel jedes Jahr bis minus 20 Grad C oder noch niedriger) warm zu heizen. Ich erinnere mich, wie meine Mama, bevor wir der anfangs Sechziger Jahre die Zentralheizung bekamen, in Wollhandschuhen am Klavier Chopin spielte. Das Klavier der Firma Bechstein, für meine Mama von Oma gekauft, wurde noch im Jahr 1923 nach Petrograd aus Elisavetgrad (vor 1924 – Elisavetgrad, bis 1934 – Sinowjewsk12), dann bis 1939 Kirowo13) und ab 1939 bis 2016 - Kirowograd) mitgenommen. Papa spielte auch jeden Tag Klavier, aber ich kann mich nicht erinnern, ob mit oder ohne Handschuhe.
Ich schreibe das alles auf um eine Vorstellung vom Leben unserer Familie und im besonderen meines Vaters in den Nachkriegszeiten zu vermitteln, vom Alltag von damals. Es gab noch einen Umstand, der zusätzlich zu anderen „Zuckerln“ der Kommunalka die Atmosphäre stark vergiftete. Nach anfänglicher kurzer Euphorie gegenüber dem neuen Schwiegersohn begannen meine Oma und Onkel Wanja (besonders der Letztere) meinen Vater zu hassen. Das war eine Spezialität meiner Oma: anfänglich gefiel ihr alles Neue sehr, egal ob es sich um den neuen Ferienort, wohin die Eltern uns alle für den ganzen Sommer schickten (“Datscha“, wir mieteten in der Nähe von Leningrad ein oder zwei Zimmer in einem Landhaus jeden Sommer und fast immer an einem anderen Ort) oder um die neue Haushaltshilfe handelte. Bald aber sah sie in der Erneuerung nur das Negative. Für Onkel Wanja war mein Vater „ein Klassenfeind“, ein Vertreter des Bürgertums, weil er keinen Bezug zum Haushalt hatte und der Onkel schuftete, so weit es ihm seine Gesundheit nach den Kriegsverletzungen erlaubte. Dazu erlag der Onkel monatlich einer kurzfristigen Trinksucht: am Tag der Pensionsauszahlung versoff er das ganze Geld, aber nie vergriff er sich an dem ihm Anvertrauten. An diesen Tagen kamen Onkel Wanjas negative Gefühle zu meinem Vater hoch und die daraus entstandenen Skandale waren einem Vulkanausbruch vergleichbar. Nur als ich, damals Sechs- oder Siebenjährige unter Albträumen zu leiden begann – mein Vater als Nazischerge zeigt den feindlichen Fliegern, wo sie die Bomben auf uns abwerfen sollen - nur dann wurde es Onkel Wanja verboten, in meiner Anwesenheit die Propaganda gegen meinen Vater zu machen.
Foto 10: Der Vater mit mir am Finnischen Meerbusen, 1954
Trotz allen oben beschriebenen Umständen war vieles, sehr vieles im Leben meiner Eltern harmonisch. Sie hatten gemeinsame Interessen, ausgezeichnete Freunde, die regelmäßig bei uns am Tisch im „Gästezimmer – Bibliothek – Arbeitskabinett – Schlafzimmer“ sich versammelten. Unter den Freunden meiner Eltern nenne ich Solomon Grigorjewitsch Michlin, den großen Mathematiker, Michail Schljomowitsch Birman, „Mischulja“ – die Bekanntschaft aus dem Kreis der mathematikbegabten Schüler im Pionierpalast, wo mein Vater vor dem Krieg unterrichtete, und Birman, damals sein Schüler, wurde später Doktor-Vater von Michail Lwowitsch Sohn Gleb.
Häufige Gäste waren Georgy Mikhailovich Friedlander, Literaturwissenschaftler, Mitarbeiter des Puschkin-Hauses, Laura Aleksandrovna Virolainen, Literaturwissenschaftlerin und Literaturübersetzerin aus der finnischen Sprache, ihr Ehemann Naum Yakovlevich Berkovskiy, ein bedeutender Philologe, Literatur- und Theaterkritiker und viele andere. Wir standen besonders Rebekka Lazarevna Zlatogorskaya nahe (alias Bekki, Riva oder Zlata), einer wunderbaren Frau, deutsche Sprachlehrerin Lehrerin. Sie hatte weder einen Ehemann noch Kinder, war aber immer von Freunden und ehemaligen Schülern aller Generationen umgeben. Ihr ganzes Leben lang standen in Kontakt mit ihr die ehemaligen Zöglinge des Kinderheimes, die sie, eine junge Lehrerin, vor der Belagerung aus Leningrad herausgeführt und drei Jahre lang im Hinterland erzogen hatte. Zu Rebekka Lazarevnas Freundeskreis gehörten ihre ehemaligen Schulkinder. In den folgenden Jahren begann sie am Pädagogischen Institut zu unterrichten. Ihre erwachsenen Schüler blieben bis zu ihrem Tod (sie wurde 94 Jahre alt) enge Freunde. Der letzte Arbeitsplatz von Rebekka Lazarevna war am Institut für Weiterbildung der Lehrer. Aus diesem Kontingent der bei ihr Studierenden kamen neue Freunde.
Foto 11: Von links nach rechts: Bekki, Mischa und Nora, 1960
Meine Eltern waren echte Musikliebhaber, heute würde man sagen „Fanatiker“ der klassischen Musik; die Besuche bei Konzerten der Philharmonie waren für sie dasselbe, was für Gläubige der Gottesdienst ist. Sie verbrachten einige Nächte mit der Eintragung in die Liste für besonders begehrte Konzerte, um Monate später die Karten an der Kasse zu kaufen. Mama verstand nichts auf dem Gebiet meines Vaters, der höheren Mathematik; nach ihren eigenen Angaben war sie eine „Kretinka“ sogar im Rahmen des Schulprogramms (diese Eigenschaft erbten meine beide Töchter, ich wurde davon verschont). Dafür liebte Papa bildende Kunst, Mamas Terrain, und war ein leidenschaftlicher Amateur-Maler. Seine Spezialität waren Landschaften in Aquarell und ausgezeichnete Karikaturen, die oft aus Konzerten der Philharmonie bekannte Musiker darstellten.
Nach dem Krieg kam noch eine Leidenschaft ins Leben Michail Lwowitsch, hier waren er und sein Schwager, Tantes Alya Mann und Tanyas Vater Wassiliy Alexandrowitsch Skragan völlig einig. Beide wurden leidenschaftliche Autofahrer. Seit Anfang der Fünfzigerjahre und bis zu seinem Tod wechselte mein Vater drei Autos. Das erste war eine Emka – vor dem Krieg in der UdSSR produzierter Pkw für Massenbedarf, Gas M112). Emka wurde laut einer Legende, die ich in meiner Kindheit gehört habe, aus dem Obwodnyi Kanal herausgefischt. Höchstwahrscheinlich sah ich dieses Auto nie: dem Vater wurde verboten mit Kindern zu fahren, so unsicher war der Wagen. Bald wurde er von Moskwitsch abgelöst, dem alten Modell. An dieses Auto erinnere ich mich ganz gut. Mit ihm fuhren wir zu Baba Adya in die Tschaikowsky Straße, zu unseren diversen Sommerdomizilen (Datschas) und unternahmen in Ferienzeiten einige Reisen. Ich erinnere mich an unsere erste „Auslandsreise“ nach Lettland in der Nähe von Riga. Damit Vater am Steuer nicht schläfrig würde, las Mutter unterwegs ihm aus einem Buch vor, er nannte sie deswegen „mein Funkanschluss“. In diesem Modell von Moskwitsch gab es kein Radio. Später wurde das alte Modell von dem neuen Moskwitsch abgelöst. Papa liebte das Auto von ganzem Herzen und verbrachte in ihm und mit ihm viel Zeit. Ich erinnere mich an solche Episoden: die ganze Familie macht einen Ausflug in den Wald. Alle gehen Schwammerl suchen und Beeren sammeln, der Vater aber bleibt im Auto und sagt, dass er lieber etwas lesen würde. Nach ein paar Stunden kommen wir zurück – Papas Beine lugen unter dem Auto hervor! Er wühlt dort herum, untersucht, repariert etwas.
Foto 12: Der Vater mit einem Kameraden neben Emka Foto 13: Der Vater am Lenkrad
Foto 14: Der Vater am Moskwitsch
Meine Eltern machten einige kleinere Autoreisen mit den Freunden ohne uns Kinder, nach dem Goldenen Ring13), nach Kiew und so weiter. Von Auslandsreisen war damals keine Rede. Für individuell Reisende nicht nur nach Westen – auch in die Ostblockstaaten war es undenkbar. Der Zugang zu Touristengruppen war eine Mangelware; man müsste mehrere Instanzen mit verschiedenen Kontrollen bezüglich der Verlässlichkeit der potenziellen Touristen bestehen, als ob es eine Agentenmission in ein feindliches Land und nicht eine zehntägige Reise nach Polen oder Tschechoslowakei wäre. Deswegen war Michail Lwowitsch niemals in seinem Leben außerhalb der Sowjetunion. Lange vor der Emigration aus der UdSSR, aber schon nach Vaters Tod waren Mama und ich nach einer Einladung der Freunde in der DDR. Es war die erste Auslandsreise meiner Mama, sie war damals 56 Jahre alt. Wir stellten einen Antrag in OVIR14) für die dreiwöchige Reise ins Ausland. Zuerst wurde der Antrag abgelehnt; Mama suchte wiederholt um ein Visa für uns beide an und zum Schluss bekamen wir die Erlaubnis. Ein Jahr vor der Emigration besuchten mein Mann und ich die gleichen Freunde in der DDR. Mein Mann war damals 39 Jahre alt und es war auch seine erste Auslandsreise.
Hier würde ich gerne zur „Vertrauenswürdigkeit“ meines Vaters in Sinne der Ideologie der stalinistischen und poststalinistischen Epoche kommen. Michail Lwowitsch ist während des Krieges in die Partei eingetreten. Sowjetischen Menschen braucht man nicht erklären, in welche Partei – in KPSS 15). In Unterschied zu anderen Ostblockstaaten, wo es anstandshalber ein paar im wesentlichen gleiche Parteien gab, war es in der Sowjetunion nur eine Partei, die kommunistische und keine andere. Ob es eine Notwendigkeit für einen Offizier an der Front war, Parteimitglied zu sein, oder ob mein Vater aufgrund seines hohen Patriotismus und seines Hasses an Naziangreifer es als ein Bedürfnis empfand, kann ich nicht sagen. Faktum ist, es hat ihm keinen Vorteil gebracht, sogar im Gegenteil. Meinem Vater wurde eben deswegen, weil er Parteimitglied war, protokollarisch in seiner Personalakte16) eine Zurechtweisung erteilt .
Ich erinnere mich sehr gut an Stalins Todestag. Nach einigen Tagen der Radiowiedergabe der traurigen Musik aus Wagners „Götterdämmerung“, ab und zu kurz unterbrochen durch den aktuellen Gesundheitsbericht des erkrankten Führers, wurde endlich Stalins Tod verkündet. Unsere Familie, die wie viele andere weder Liebe noch Respekt gegenüber „dem Vater der Völker“ empfand, war am Anfang gar nicht erfreut darüber, im Gegenteil, alle waren sehr beunruhigt, was dem jetzt folgen, ob es noch schlechter werden würde, ob der noch mehr als Stalin gefürchtete Lavrentiy Beria aus dem engsten Kreis um das Staatsoberhaupt die Macht ergreifen würde. Meine Oma heulte seit dem frühem Morgen - sie als eine Kusine Grigoriy Sinowjews (von Stalin Ende der Zwanziger Jahre eliminierter Rivale aus dem Zentralkomitee), die wie durch ein Wunder von Inhaftierung und Verbannung verschont blieb, wusste sehr genau über die Besonderheiten der sowjetischen Geschichte Bescheid. Onkel Wanja schwieg mit düsterer Miene – er, dem Geist nach Kommunist, obwohl aus den Reihen der Partei lange vor dem Krieg ausgetreten, hasste Stalin von ganzem Herzen. Ich lief mit der letzten Nachricht von Oma und Onkel Wanja zur Mama, die nahm mich schweigend in ihre Umarmung, unter ihre Flügel wie ein Vogel sein Küken. Am Abend fuhren Papa, Mama und ich in die Tschaikowsky Straße zu Baba Adya und den Tanten. Die Erwachsenen führten irgendwelche für mich unverständliche Konversationen mit ernsten Mienen, und ich beschloss, meine frischgedichtete Ode zum Besten zu geben. Die bestand aus Wortfetzen aus der Radioübertragung:
„Hörte Herz auf zu schlagen
Unserers Führers für immer
Aber sein Antlitz in unseren Herzen
Wird leben immer“
Und anstatt Lob und Ermutigung zu ernten, folgte im Zimmer, wo die Erwachsenen saßen, totale Stille, einige von ihnen schauten sogar an mir vorbei. Ich begriff, etwas absolut Unpassendes begangen zu haben. Die umgänglichste von allen, Tante Alya, hat sich dann doch erfangen und sagte mir in einem unaufrichtigen Ton, wie toll ich sei; für mich war aber meine Schande offensichtlich.
Drei Jahre später, 1956, nach dem 20. Parteitag, brachte mein Vater mir die Wahrheit über Stalin bei. 1956 las Nikita Sergejewitsch Chruschtschow bei dem 20. Parteitag im kleinen Kreis den Bericht über den Personenkult vor; der Text wurde als „Geheimakte“ an alle Parteiorganisationen weitergeschickt, aber der Inhalt wurde sofort im ganzen Land bekannt. Es war so: ich war nach der Schule mit Freundinnen spazieren und plötzlich begannen zwei von ihnen untereinander zu tuscheln. Ich habe nur mitgekriegt, dass sie über Stalin sprachen. Meine Frage, was sie da heimlich besprechen würden, antwortete eine von ihnen rätselhaft: “Frag Deinen Vater!“. In der Tat, der noch nicht in Massenmedien publizierte Vortrag wurde in den Versammlungen nur für Parteimitglieder verbreitet, und die Väter waren öfter Parteimitglieder als die Mütter. Ich lief sofort vom Park nach Hause und, ohne den Mantel und Straßenschuhe auszuziehen, platzte in das Elternzimmer, wo der Vater am Schreibtisch arbeitete und fragte ihn ohne Umschweife: “Papa, erzähl mir über Stalin!“. Er wendete sich zu mir, legte das Papier und Schreibzeug zur Seite und sagte sehr einfach und verständlich: “Weißt Du, Stalin war auf eine Art Zar“. Für mich, der sowjetischen Schülerin, wurde mit dem Begriff „Zar“ nur die negativste Vorstellung von Macht, Willkür und Unterdrückung verbunden. Es war die denkbar beste Erklärung für mich in meinem damaligen Alter. Seit damals fragte ich den Älteren aus; später las ich viel über die Vergangenheit meines Landes; mein Interesse an Geschichte und Politik hörte nie auf.
Nach der Veröffentlichung des Artikels „Über den Personenkult und seine Folgen“ wurden zögerlich die Archive geöffnet, leider nur für kurze Zeit. Und dann wurde mein Vater in die Personalabteilung des Bergbau-Instituts gerufen, dort zeigte man ihm eine Denunziations-Anzeige gegen ihn, geschrieben von seinem Freund, dem Leiter der Fakultät für höhere Mathematik von 1949 bis 1955, Professor O. W. Sarmanow. Ich kann mich dunkel an diesen „Freund der Familie“ erinnern, in meiner frühen Kindheit war er manchmal in unserem Haus, galt als „intelligenter, anständiger Mensch“. Die Einzelheiten der Geschichte erfuhr ich von der Mama viel später, erst nach Papas Tod. Ihr zufolge hätte Sarmanow eine Schwachstelle: er war ein Homosexueller, dafür wurden Leute in der UdSSR eingesperrt. Sarmanow war unverheiratet und hatte einen Studenten adoptiert, was besonders verdächtig war. Wahrscheinlich wurde er genau deswegen erpressbar und, um sich zu retten, denunzierte er meinen Vater, den Dozenten seiner Fakultät und seinen persönlichen Freund. In der Denunziations-Anzeige wurde behauptet, dass Werzhbinskiy Michail Lwowitsch ein israelischer Spion sei, Mitglied einer zionistischen Verschwörung und so weiter. Das hätte für ein Todesurteil oder mindestens für mehrere Jahre Lager gereicht, aber der „Pakhan“ (Stalin) verreckte rechtzeitig 17). Sarmanov ahnte, dass die Anzeige meinem Vater gezeigt werden könnte. Die Freundschaft ging auseinander, 1955 übernahm ein anderer Wissenschaftler die Fakultätsleitung.
Foto 15: Von links nach rechts — Sarmanow, sein Adoptivsohn und mein Vater
Die letzten Lebensjahre meines Vaters verliefen nicht besonders glücklich.
Im Sommer 1959, während einer Reise nach der Krim, kam es zu einer aus der heutigen Sicht keine so großen Unannehmlichkeit. Mein Vater und mein Bruder Gleb fuhren mit dem Auto von Leningrad nach Simferopol, wohin ich und die Mama mit dem Zug kommen mussten. In einer Autobahngaststätte, in der die beiden zum Mittagessen einkehrten, hat Papa seine Jacke vergessen. Sie gingen zurück, aber von der Jacke fehlte jede Spur. In der Jackentasche waren Führerschein, Autopapiere und – das Wichtigste – die Parteimitgliedskarte. Mama und ich trafen uns mit Vater und Bruder in Simferopol, aber fuhren nicht gleich weiter ans Meer nach Alupka, statt dessen stiegen wir alle in einem Hotel ab. Die Eltern besuchtenin ein paar Tagen verschiedene Ämter, um den zeitweiligen Führerschein und andere Ersatzpapiere zu besorgen (vielleicht wurde auch der Pass gestohlen, ich kann mich nicht genau erinnern). Wir beide, Gleb und ich, langweilten uns im Hotel. Endlich wurden die Ersatzpapiere ausgestellt und wir kamen nach Alupka, wo unsere Freunde auf uns warteten. Mitten im Urlaub wechselte sich mein Bruder Alexey mit Bruder Gleb ab, danach kamen wir alle zusammen – Eltern, Alexey und ich – zurück nach Leningrad. Die gestohlenen Papiere wurden nie gefunden, und das Schrecklichste war der Verlust der Parteimitgliedskarte. Der Vater wurde „bearbeitet“ in der Parteiorganisation des Bergbauinstituts. Verlust der Parteimitgliedskarte war in der UdSSR ein sehr ernstes Vergehen, es bestand eine Möglichkeit aus der Partei ausgeschlossen zu werden, was einen total kompromittieren würde. Eine Rüge mit der Eintragung in die Personalakte galt als das mildeste Urteil.
Foto 16: Michail Lwowitsch, 1950erJahre
Die Pechsträhne hörte damit nicht auf. Mein Vater zeichnete mit Begeisterung Karikaturen zu aktuellen Ereignissen für die Wandzeitung des Instituts. Einige Personen fühlten sich betroffen, er wurde vorgewarnt, aber setzte es weiter fort. Ein Beispiel: unter der Zeichnung eines Tannenbaums, von Eichen18) umgeben, stand der Titel „Militärabteilung feiert das Neujahrsfest“. Folglich wurde der in Ungnade gefallene Michail Lwowitsch regelmäßig für Wochen oder sogar Monate in die weit gelegene Filiale des Bergbauinstitutes geschickt, nach Norden, wie ich mich erinnere. Er – der jahrzehntelang ein Dozent an dem Institut gewesen war, ein Wissenschaftler, dessen Beiträge in einigen soliden Fachzeitschriften veröffentlicht wurden und der nicht mehr der Jüngste (schon älter als 50 Jahre) war – lebte in dieser Periode längere Zeit in schäbigen Hotels oder Studentenwohnheimen, speiste in schlechten Gaststätten. In den Fünfzigern und Sechzigern war zwischen den Groß- und Provinzstädten ein riesiger Niveauunterschied.
Mein Vater wurde mehr und mehr gereizt, er und meine Mutter hatten öfters Auseinandersetzungen, was früher nicht der Fall gewesen war. Ich in meiner Pubertät (13 – 14 Jahren) goss fleißig Öl ins Feuer, meine Meinung unterschied sich demonstrativ von der Meinung der Erwachsenen buchstäblich in allen Fragen. Auch im Beruf als Wissenschaftler erlebte Michail Lwowitsch einige Misserfolge. Das schreibe ich nach Erzählungen meiner Mama nieder, mit dem Papa sprachen wir nie darüber.
Michail Lwowitsch war ein talentierter, in seinen jungen Jahren ein vielversprechender Wissenschaftler. Noch vor dem Krieg interessierte ihn ein bestimmtes mathematisches Problem, das mit Primzahlen zu tun hatte. Zahlentheorie stand Mitte des 20. Jahrhunderts nicht im Zentrum wissenschaftliches Interesse; wenige arbeiteten auf diesem Gebiet, anscheinend war auch der Austausch von Ergebnissen unter Kollegen äußerst selten. Aber der Papa blieb seinem Problem treu, beschäftigte sich hauptsächlich mit ihm, auf bestimmten Etappen erzielte er auch Erfolge: seine Arbeit wurde veröffentlicht, und die Publikationen bekamen gute Rezensionen von renommierten Mathematikern. Es war trotzdem nicht klar, ob das mathematische Problem eine Lösung haben würde. Und in den letzten Jahren meines Vaters schien es doch so, dass die Versuche, eine Lösung des Problems zu finden, in einer Sackgasse mündeten. Es fanden sich keine Nachfolger, die Vaters unvollendete Arbeit übernehmen wollten. Einige Zeit nach Papas Tod gab Mama die Papiere aus Vaters Schreibtisch seinem ehemaligen Schüler aus der Arbeitsgemeinschaft der jungen Mathematiker im Pionierpalast, später einem Professor am Institut für Mathematik der Staatlichen Leningrader Universität, Michail Schljomowitsch Birman weiter. Der war aber ein Spezialist auf einem ganz anderen Gebiet; es scheint so, dass niemand sich mit dem unvollendeten Lebenswerk des Vaters auseinander setzte.
Als ich diesen Text in Russisch zu schreiben begann, entdeckte ich im Internet die Erwähnung einer Publikation: “ABOUT THE DEFECT OF THE SIMPLICITY OF THE PRIMENUMBER/Werzhbinskiy/writings of the Mining Institut, dated 2013-2014.
http://pmi.spmi.ru/index.php/pmi/article/view/8178
Ich war sprachlos: fast 60 Jahre nach der Publikation des Artikels 1958 wurde Papas Arbeit plötzlich aktuell! Danach kam aber die Enttäuschung – anscheinend legte das Archiv alle nach 1907 erschienenen wissenschaftlichen Publikationen ins Internet, unter ihnen noch einige frühere Arbeiten meines Vaters.
Ende 2019 wurde auf der Website der St. Petersburg Mathematical Society, der Mitgliederliste fur 1959, die Seite von M. L. Verzhbinsky erstellt:
http://www.mathsoc.spb.ru/pers/verzhbinskii/
Zurück zur erwähnten Verschlechterung der Beziehung zwischen den Eltern: beim Niederschreiben dieses Textes kam mir ein Gedanke: Die Herausgabe von Mamas kunstwissenschaftlichen Büchern - „Wrubel“ 1959, „Russische Kunst und Revolution 1905“ 1960, „Die Kunst und der Zuschauer“ 1961, das später erschienene Buch „Peredwizschnniki“19) war in Arbeit - begann genau in der Zeit ( Ende der Fünfziger – Beginn der Sechziger Jahren), genau in der Periode, als Papas wissenschaftliche Arbeit stagnierte.
Eine Erinnerung taucht auf: wir planten einen Ausflug nicht weit von der Stadt, wahrscheinlich nach Puschkino (Zarskoe Selo). Wie saßen schon zu dritt im Auto, plötzlich entbrannte ein Streit zwischen den Eltern. Es schien, dass Papa nicht fahren wollte und Mama ihn drängte. Auf einmal fiel der Satz: „Bin ich ein Chauffeur meiner eigenen Frau?“. Es blieb mir im Gedächtnis, weil früher solche Szenen nicht vorkamen.
Es fällt mir schwer, über die letzten Monate des Lebens meines Vaters zu schreiben, sie waren tragisch. Es war Ende Dezember 1961, das Neujahrsfest näherte sich. Die Eltern planten das Neue Jahr zusammen mit Freunden am Land zu feiern und ich lud zum ersten Mal im Leben Gleichaltrige bei mir in der Wohnung ein um zu feiern. Es waren eine Freundin (der im letzten Moment ihre Eltern nicht erlaubt haben, das Haus zu verlassen) und drei Burschen. Oma und Onkel Wanya blieben auch in der Stadt und feierten in ihrem Zimmer. Der Vater war in schlechter Stimmung, wahrscheinlich fühlte er sich nicht wohl, er wollte nicht aufs Land fahren um in Gesellschaft zu feiern. Es war ungewöhnlich: Die Eltern feierten dieses Fest immer zusammen und üblicherweise in einer lustigen Gesellschaft enger Freunde. Mama hatte nicht vor in der Stadt zu bleiben, Papa aber in seiner „Sturheit“ (wie ich es mir schien) gefährdete mein erstes Fest ohne Beisein der Erwachsenen.
Ich erinnere mich, als ob es gestern wäre: ich kam in das „große Zimmer“ der Eltern, das mit dem offenen Kamin und dem Erker, wo ich meine Party geplant hatte und setzte meinen Vater unter Druck: „Ihr habt versprochen, dass Ihr weggeht, Du hast versprochen…“. Er sagte mir traurig: “Du hast gewonnen“ - und er reiste tatsächlich zusammen mit Mama aufs Land. Wie dieses Jahr das Fest für sie ausgefallen war, weiß ich nicht, aber im Frühjahr 1969 erkrankte der Vater. Mama und ich waren am Land übers Wochenende (oder waren es die Ostfernferien), Papa fühlte sich nicht wohl, er blieb in der Stadt und bat die Hausärztin um einen Besuch. Sie fand, dass sein Gesicht und die weiße Augenhaut sich gelb verfärbt hatten, und vermutetet eine infektiöse Gelbsucht, Hepatitis. Die Ärztin rief unverzüglich die Rettung, und der Vater wurde in die so genannten Botkinschen Baracken 20), das Spital für infektiöse Krankheiten, gebracht. Es geschah Ende März. Als Mutter davon erfuhr, stürmte sie zum Krankenhaus; der Zugang wurde strengst untersagt, aber sie ist über die Sperre irgendwie durchgekommen und es ist ihr gelungen zumindest bis zu den Ärzten durchzukommen. Mehr als einen Monat verbrachte der Vater im Spital für ansteckende Krankheiten, bis festgestellt wurde, dass er keine infektiöse Hepatitis hatte und der Grund seiner Gelbsucht ein anderer war. Seine Briefe an die Mutter (mit den Stempeln der infektiösen Abteilung) aus der Zeit, die er im Spital lag, sind so zärtlich, voll mit Bitten die Erlaubnis von den Ärzten bekommen, ihn besuchen zu dürfen. Diese Briefe sind bei mir in Wien, es tut weh sie zu lesen. Damals waren die Regeln der Hygiene in der Sowjet Union im Vergleich mit heutigen Zeiten unvergleichbar strenger, bis auf seltenste Ausnahmen wurden Besuche der infektiösen Kranken im Spital untersagt. Nach Papas Briefen wurde er gründlich untersucht, hier ein Zitat aus dem Brief an die Mutter: “Ich kann nicht an fehlendem Interesse an meinem Organismus klagen: in den vergangenen drei Wochen wurde ich von sechs Ärzten und einem Student angeschaut, morgen kommt der Siebente“. Er schrieb in Briefen an Mama verschiedene Anweisungen für bevorstehende Angelegenheiten: dringend die Parteimitgliedschaft durch die Sekretärin im Institut zu bezahlen; die Papiere und Schlüssel vom Auto den Bekannten weiterzugeben; sich in der Warteliste für den Kauf eines neuen Autos, was für nächstes Jahr geplant war, anzumelden. Er erwähnte auch das Sparbuch.. Weil mir bewusst ist, was danach kam, gibt es mir das Gefühl, ein Testament zu lesen. Der Vater verlor in Wirklichkeit seinen Kampfgeist nicht, glaubte an die Genesung. Er besprach mit der Mama die Untersuchungsergebnisse, die Wahl des anderen Spitals, wohin er verlegt werden sollte, weil Hepatitis eine Fehldiagnose war. Papa wurde, ohne nach Hause entlassen zu werden, in die Militär-medizinische Akademie verlegt, wo die Untersuchungen fortgeführt wurden, er kam aber nicht mehr in die Abteilung für infektiöse Krankheiten. Nach damaligen Vorschriften wurde ich als Minderjährige auch in dieses Spital nicht reingelassen. Es wurden für Kinder und Jugendliche die Besuche in jeder Klinik strengst verboten, ob es eine für ansteckende Krankheiten war oder nicht. Der Grund für die gelbliche Verfärbung der Haut wurde gefunden: die Gallensteine; es wurde eine Operation, keine besonders komplizierte, in Aussicht gestellt. Andere Befunde zeigten aber, dass, außer den Gallensteinen, Papa andere seriöse Probleme haben könnte. Im Raum stand ein Verdacht, dass mein Vater Bauchspeicheldrüsenkrebs hätte, der tödlich und inoperabel ist. Die Gallenblasenoperation wurde für Mitte Mai eingeteilt; Mama zahlte dem Chirurgen, einem Professor, der die Operation machen sollte, das Geld (illegal). Mama und mein Bruder Gleb besuchten den Vater im Spital; der andere Bruder Alexey befand sich damals in Narjan-Mar im Hohen Norden, wo er nach der Diplomverteidigung an der Hochschule drei Jahre arbeitete. Während der zwei Monate, als der Vater krank war, sah ich ihn nur einmal, es war Anfang Mai. Ihm wurde es erlaubt, in den Garten des Spital zu gehen. Aus der Episode blieb mir nur ein Bild in Erinnerung: Papa kehrt ins Spital zurück, er geht die Stiege hinauf in seine Abteilung. Ich sehe durch die Fenster des Stiegenhauses seine Figur und das Gesicht im Profil, ohne umzudrehen entfernte er sich. Auch aus diesem Krankenhaus sind einige Briefe des Vaters an Mama und mich vorhanden. In der Zeit bewarb ich mich für den Eintritt in die Oberstufe der Kunst- und Allgemeinbildenden Schule №190 auf Basis der Hochschule für Angewandte Kunst namens Wera Muchina. Jetzt heißt diese Schule Kunst- und ästhetisches Lysse №190 (Художественно-эстетический лицей). In einem Brief an Mama äußerte der Vater die Bedenken, dass, falls ich aufgenommen würde, meine mathematischen Begabungen sich weiter nicht entwickeln könnten, und er zweifelte an der Qualität der Allgemeinbildung in der auf Kunst spezialisierten Schule. Zum Glück hatte er nicht Recht gehabt: die Schule №190 gab eine ausgezeichnete Ausbildung in allen Gegenständen, ich habe nie im Leben bereut, nicht in die Stapfen des Vaters und des Bruders zu steigen und wurde keine Mathematikerin. In einem der Briefe an mich persönlich nannte Vater mich scherzhaft ”Baronesse Nina”; in dem Briefe gab er die Antwort auf meine idiotische Frage, warum könnte man, auf der Erde stehend, sie nicht umdrehen21). Genau deswegen titulierte Papa mich so, nach der Assoziation mit dem Baron Münchhausen. Fast in jedem Brief an Mama erwähnte er mich. Manchmal so: ”Warum schreibt mir Ninka nicht?”. Oder: ”Umarme Dich und DIESE”. Einmal als Antwort auf meinen Zettel schreibt er: “Danke. Aber warum schreibst Du so offiziell: lieber Papa, es ist fast wie liebenswürdiges Väterchen”. Mama nannte er immer mit größter Zärtlichkeit Norinka, ein Brief beginnt so: “ Norinka, mein Rothaariges!”. Oder ein Anderes: “Norinka! Du hast unglaublich grüne Augen - das war das Allererste, was ich sah, als Du mich geweckt hast”. Noch das da: “Norinka! Ich mache mir Sorgen - gestern kam kein Zeichen von Dir. Warum? Sind alle gesund? Bitte schreibe mir die Wahrheit, bitte Dich darum”.
Die Operation der Gallenblase wurde gemacht, die Gallensteine würden entfernt. Davon gibt es zwei Versionen. Nach einer zeigte der Arzt meiner Mama die Gallensteine und sagte: „Zum Glück war es nur das“. Nach einer anderen Version der Bauchspeicheldrüsenkrebs war doch da, er wurde nicht operiert. Die Operation der Gallenblase wurde am Donnerstag oder Freitag durchgeführt, der danach folgende 19 und 20 Mai fielen auf Samstag und Sonntag. Der Primarius war im Krankenhaus nicht anwesend, der Vater bekam Komplikationen nach dieser geplanten und an und für sich nicht besonders komplizierten Operation. Er fieberte, verlor das Bewusstsein, kam dann wieder zu sich, hat stark gelitten. Es war, wahrscheinlich, Peritonitis, Bauchfellentzündung. Seitens des jungen Arztes, der am Wochenende Dienst hatte und von Seiten des anderen medizinischen Personals wurde dem Patienten keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Gleb und Mama blieben fast die ganze Zeit bei Vater, sie wurden kurz von meiner Cousine Tanja abgewechselt. Mama erzählte mir, dass als Papa wieder zu sich kam, er sie anschaute und sagte: “Ich habe ihn gesehen“. Man kann es beliebig interpretieren. Zu dieser Zeit hatte er schon seinen ersten Enkel, den Sohn von Gleb, Alyoscha Werzhbinskiy; den hat Papa sehr geliebt und war auf ihn stolz. Vielleicht hat er diesen Kleinen gemeint oder auch nicht. Die weiteren von Enkeltöchter, die Glebs Tochter Asya und meiner Töchter Julya und Mascha, auch sechs Urenkelkinder, erlebte er nicht mehr 22).
Papa starb am 21 Mai, einem Montag. Mama war absolut nicht vorbereitet, dieses Faktum zu akzeptieren, so dass sie, sein Aussteigen aus dem Leben für eine Ohnmacht haltend, den Arzt fragte: “Vielleicht, könnte man ihm Schröpfköpfe geben?“. Das wurde vom Arzt mit kaum der Lage entsprechender Ironie beantwortet: „Na ja, man könnte“. Sie erzählte mir später diese Episode, voll Scham auf sich und einer Verärgerung dem Arzt gegenüber. Mein Bruder Gleb, als er und Mama zu uns nach Hause am Abend des 21. Mai kamen, sagte mir mit Tränen in der Stimme: “Er war so klein…“. Später fiel mir ein, dass sterbende Tiere und Menschen in dem Moment des Todes klein scheinen . In der Krankengeschichte wurde als Todesursache Krebs der Bauchspeicheldrüse genannt. Auf keinen Fall war es die unmittelbare Ursache des Todes, aber so wendeten die Ärzte jede Verantwortung von sich ab. Wie der Krebs der Bauchspeicheldrüse verläuft, erfuhr ich viel später. Vielleicht wären die Qualen, ohne unterstützende und schmerzlindernde Therapie (die Morphine wurden damals in der Sowjet Union sehr knapp ausgegeben) die tragischere Variante gewesen, vielleicht sind dem Papa einige Foltermonate erspart geblieben? Ob er Krebs hatte oder die Worte des Chirurgen „Zum Glück, es war nur das“, als er die Gallensteine Mama zeigte, die Wahrheit war? Ich weiß es nicht.
Foto 17: Das Grab M. L. Werzhbinskiy auf dem Friedhof der Opfer von 9. Januar 1905 23) in Petersburg, 1990-er Jahre
NACHWORT
Ich will die Geschichte an dieser Stelle nicht beenden. Der Epilog wird das Bild meines Vaters, Michail Lwowitsch Werzhbinskiy, sein, wie ich ihn alle die Jahre nach seinem Tod sehe.
Es wird vielleicht subjektiv, aber das hier ist kein Artikel für Wikipedia. Er war eine glänzende Persönlichkeit, ein vielseitig begabter Mensch, emotionell und kreativ. Er konnte lieben und er konnte auch es denen, die er liebte, zeigen. Er hatte eine bestimmte Eleganz, ausgezeichneten Geschmack, ob es um die Kunst oder einfach um die Art sich zu kleiden handelte. Ich scheue mich nicht zu sagen – man spürte in ihm Adel.
Er hatte auch schwierige Charakterzüge, er konnte sehr aufbrausend werden, ohne Vorwarnung explodieren. Das aber kam nie in Form unanständigen Geschimpfes, keine Rede konnte von Tätlichkeiten sein (was leider oft in russischen Kreisen der Fall ist, für ihn aber undenkbar). Aber ich kann mich auch an eine solche Szene erinnern: wie Papa, aus welchem Grund weiß ich jetzt nicht mehr, auf seine auf den Boden geworfene Brille tritt und schreit: „Zum Teufel, zum Teufel, zum Satan!“. Ein typischer Choleriker und ein Exzentriker dazu. Ich hatte nie Angst vor ihm, auch bei solchen Ausbrüchen nicht. Meine Eltern liebten französische Filme, man begann sie nach Stalins Tod in der Sowjet Union zu zeigen. Der Lieblingsfilm meiner Eltern war „Mon oncle“, Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller war Jacques Tati, 1958. Solche Filme wurden entweder für sehr kurze Zeit gezeigt oder im Rahmen eines Filmfestivals. Damals sah ich den Film nicht, aber die Begeisterung der Eltern blieb im Gedächtnis. Erst in Wien im Jahr 2015 konnte ich den Film sehen, dazu noch unter freiem Himmel im Parke Belvedere! Bin seitdem verliebt in den Film, in die Figur Mn. Hulot, in den Autor und Darsteller Tati. Übrigens, er war ein russischer Emigrant in Frankreich, sein echter Name ist Tatischtschew. Nach der Kinovorstellung kam es mir so vor, als ob ein Band meinen Vater und mich verbunden hätte, als ob er seinen Lieblingsfilm mit mir geteilt hätte.
Eines der frühen Porträts, die ich während der Zeichenstunden mit meiner ersten Lehrerin Ewgenia Erofeewna Bogdanowa nach dem Modell gemacht habe, war das Porträt meines Vaters. Die Bleistiftzeichnung zeigt ihn traurig, sogar wie erlöscht, anders als ich ihn in Erinnerung habe. Das Porträt wurde Anfang des Jahres 1962 gemacht, knapp vor dem Ausbruch der Krankheit, es hätte für uns als Warnung gelten können. So kommt es eben einem immer später vor, damals hatte niemand in der Familie eine böse Vorahnung. Wegen der längeren Modellsitzungen merkte ich mir die Gesichtszüge des Vaters so gut, dass, als ich das Doppelporträt von ihm und mir malte – ihn mit zweiundfünfzig Jahren und mich in damals gleichem Alter – war es kein Problem seine Ähnlichkeit im Bild zu erreichen.
http://www.ninawr.at/de/saal1-de-detail/11-nw-mw-detail
Foto 18: «Der Vater und die Tochter: 52»,
Nina Werzhbinskaja-Rabinowich,
Papier, Aquarell, 1999
Foto 19: «Porträt des Vaters»,
Nina Werzhbinskaja-Rabinowich,
Papier, Bleistift, 1961-62
Die Bilder und Fotos von M. L. Werzhbinskiy aus den Fünfziger Jahren
«Selbstporträt als Pirat», Papier, Aquarell, 1955
«Porträt von Nora», Papier, Tusche, Deckweiß, 1950er Jahre
«Nora und Nina», Papier, Gouache, 1950 «Norotschka kommt nach Hause», Papier, Buntstifte, 1950
«Das Schwein und die Wäsche», Papier, Aquarell,1950er Jahre
«Wassiljewskiy Insel. Die Ecke Bolschoy Prospekt und 4-rter Linie», Papier, Gouache,
1950er Jahre
«Selbstporträt», Papier, Kohle, 1950 «Selbstporträt mit dem Hut», Papier, Tusche, 1950
«Freundliche Karikaturen»
für die Wandzeitung des Bergbau-Instituts,
1950er Jahre
«Musikwissenschaftler Y. Y. Weinkop (links) und A. N. Dolzhanskiy (rechts)» Papier, Tusche, 1955
«Pianist Swiatoslaw Richter», Papier, Tusche, 1955
«Pianist Professor Pawel Serebriakow», Papier, Tusche, 1955
«Dirigent Kurt Sanderling», Papier, Tusche, 1955
«Dirigent Franz Konwitschny», Papier, Tusche, 1956
«Dirigent Yewgeniy Mrawiinskiy 1»,Papier, Tusche, 1955
«Porträt des Sohnes (Gleb)», Papier, Tusche, Deckweiß, 1958
«Dirigent Yewgeniy Mrawiinskiy 2», Papier, Tusche, 1955
Fotografien aus der Serie „ Kreiere Fratzen aus eigenem Material“
«Auf dem Besen»
Die Rückseite der Fotografie
«Der Kandidat der Mathematik, Dozent des Berginstituts M. L. Werzhbinskiy», 1960
(die unteren Zähne sind mit Farbe geschwärzt)
«Der Gelehrte saugt die Ideen aus eigenem Finger»
«Mit dem Damenhütchen» «Mit einer Zigarette»
«Der Redner» «Düsterer Michail» «Sooo klein»
«Onkel Wassya und der Vater, der Jäger und der Hund», 1955
Fußnoten:
1) Als die Erinnerungen an meinen Vater im Internet erschienen waren, kontaktierte mich Frau Warwara Julianowna Kobyljanskaja, meine entfernte Verwandte. Von ihr habe ich sehr interessante Details der Familiengeschichte erfahren. Die Urgroßmutter von W. J. Kobyljanskaja war die ältere Schwester meines Großvaters Lew Moiseewitsch Werzhbinskiy. Es stellte sich heraus, dass Lew Moiseewitsch eines von zehn Kindern des jüdischen Kantonisten Mowscha (Moissey) Beniaminowitsch Werzhbinskiy war. Der Vater meines Großvaters diente in Petersburg in der Ingenieur-Hauptkommandatur als Modellbauer im Militärrang eines Unteroffiziers. Als er in der Armee ausgedient hatte, wurde er der Kaufmann der 2. Gilde in Sankt-Petersburg. Kantonisten waren sehr oft die Begründer in Sankt-Petersburg wohnender jüdischer Familien. Der Begründer der Familie Kobyliansky war ausgedienter Soldat der Kantonisten des Zaren Nikolaus I. und hatte es bis zum Rang des Unteroffiziers und auf den Posten des Kaptenarmus der Leibgarde des Reiterregiments gebracht. Eine ähnliche Geschichte wiederholte sich in der Familie meiner Großmutters väterlicherseits Leibowitsch. So wurden die Familienlegenden zu Realität. Über die Familie meines Großvaters möchte ich später mehr schreiben, hier will ich eine sehr wichtige Einzelheit erwähnen. Mein Bruder Gleb hatte ein Hobby – er baute sehr komplizierte Schiff- und Flugzeugmodelle. Und meine Erinnerung aus der früheren Kindheit: Das Modell eines Gleitflugzeugs aus Seidenpapier und Furnierholz, ausgeführt von meinem Vater. Es schaut so aus, als wäre das Talent eines Modellbauers an seine Nachkommenschaft auf genetischem Weg weitergegeben worden.
2) Als “Krähennest” wird eine unangenehme Situation bezeichnet, in der alle, die zusammen leben, ständig miteinander hadern.
3) Dank der Forschungen von Warwara Julianowna Kobyljanskaja wurde die Person, die die Wohnung in der Tschaikowskiy Strasse vorübergehend an Lew Moissewitsch Werzhbinkiy zur Verfügung gestellt hatte, ermittelt. Meine Cousine Tanya erinnerte sich nur an den Anfangsbuchstaben des Familiennamens dieser wohlhabenden Familie, die nach England im Jahre 1917 emigriert war: nämlich an den Buchstabe „B“. Es stellte sich heraus, das es Gutman (Grigoriy) Berzh war, der Stahl verkaufte und ein Mitinhaber des Handelshauses „P. und G. Berzh“gewesen ist. Im Handbuch der Petersburger Handelsverwaltung, das auf der Seite der Russischen Staatsbibliothek zu finden ist, kann man lesen, dass er tatsächlich im Jahre 1916 in der Sergiewskaja Straße Haus NR.16 wohnte. (Sergiewskaja wurde die Sraße nach dem Hl. Sergiy Aller Artillerie Dom von 1762 bis 1923 genannt, erst ab 1923 heißt sie Tschaikowkiy Straße). In den 1960er Jahren war meine Tante Alexandra Lwowna zu Besuch bei ihrer Verwandten in der Schweiz (die einzige Auslandsreise im Leben meiner Tante), und während dieser Reise traf sie die Nachkommenschaft dieses Grigoriy Berzh.
4) New Economic Politics, Neue Wirtchaftspolitik, wurde nach Jahren des Kriegskommunismus eingeführt, ermöglichte private Initiative zwecks Unternehmertums und half so dem verwüsteten Land ein wenig auf die Beine zu kommen.
5) “Arbeiter”
6) Mitglied der Akademie der Wissenschaften
7) Leningrader Staatliche Universität
8) Gomberg-Werzhbinskaia und Rabinowich Sammlung, MSE/REE 0013, Abteilung für Seltene Bücher und Spezialsammlungen, Hesburgh Büchereien von Notre Dame. https://archivesspace.library.nd.edu/repositories/3/resources/1944
9) Als Linien wurden ursprünglich in Leningrad die zwei Seiten eines Kanals bezeichnet.
10) Grigori J. Sinowjew war ein prominenter Revolutionär, der 1936 während Stalins “Großer Säuberung” ermordet wurde.
11) Sergei M. Kirow war ein prominenter Revolutionär, der 1934, höchstwahrscheinlich auf Stalins Befehl, ermordet wurde. Seine Ermordung wurde der Vorwand für die “Große Säuberung”.
12) Ein Auto namens “Gas M-1” wurde zwischen 1936 und 1942 in Gorki in der Sowjetunion produziert, möglicherweise der erste PKW dort; “Emka” dürfte von dieser Typenbezeichnung abgeleitet sein.
13) “Ring” alter Städte, einschließlich Kirchen und Klöster, z.B. Zagorsk, die zwischen Moskau und St. Petersburg liegen.
14) Die zuständige Behörde war das OVIR, in etwa Büro für Visa und Registrierung, das dem Innenministerium unterstand.
15) Kommunistische Partei der Sowjetunion
16) Jeder Bürger/jede Bürgerin hatte ein Register, ein Büchlein, das vom Personalbüro ausgestellt wurde und Informationen über Karriere und besondere Bemerkungen enthielt.
17) Ich gehe chronologisch vor: zuerst hegte Stalin Illusionen, dass Israel ein sozialistisches Land würde – die ersten Siedler aus Russland mit ihren Kibbuzim, ihrer zionistischen Orientierung betrachteten sich damals nicht als ideologische Gegner der Sowjetunion. Als aber 1948 Israel gegründet und die Orientierung des Landes Richtung USA evident wurde, wurden alle in der Sowjetunion lebenden Juden für das stalinistische System zu potentiellen Verrätern und “Feinden des Volkes”. Antisemitismus war in der Bevölkerung immer präsent, aber nach der Revolution, als sich ein hoher Prozentsatz der jüdischen Bevölkerung am “Aufbau einer neuen Welt” aktiv beteiligte, war er aus der Mode gekommen. Aber während des Kalten Krieges brach er nicht nur erneut aus, sondern avancierte zur Regierungspolitik. Es war dies nicht die erste Verfolgung eines bestimmten Volkes in der “brüderlichen Familie” des multinationalen Staates. Nach dem Sieg über den Faschismus wurden alle Tschetschenen, Inguschen und Krim-Tataren ausnahmslos zu Kollaborateuren erklärt und in die Steppen Kasachstans deportiert. Als sich Griechenland 1952 der NATO anschloss, wurden auch alle Griechen, die seit Generationen in Russland lebten, sogleich zu Feinden des Volkes. Sie wurden geradewegs von ihren Arbeitsstätten in “entfernte Orte” deportiert, ohne dass sie Zeit hatten, nach Hause zu gehen. Alle Sowjetbürger hatten in ihren Pässen, neben Namen und Staatsbürgerschaft auch die Bezeichnung ihrer NATIONALITÄT: Russe, Grieche, Ukrainer, Georgier, Jude usw., wobei letztere Bezeichnung nichts mit Religion zu tun hatte. Nach dem Nazi-Prinzip von “Blut und Rasse” galt ein Individuum als jüdisch unabhängig davon, ob er ein “Jud” war, also ein religiöser Jude, oder ein Orthodoxer, ein Muslim, Katholik oder Protestant. Das war die Einstellung des “Vaters der Völker”, Stalin, über den Lenin 1913 im Exil an Gorki geschrieben hatte, dem der wachsende Nationalismus Sorge bereitete: “Jetzt hat sich ein bemerkenswerter Georgier zu uns gesellt, er schreibt für “Aufklärung”, ein kommunistisches Magazin, einen langen Artikel und sammelt dafür alles österreichische und sonstige Material.” Lenin bezog sich damit auf die theoretische Arbeit Stalins “Marxismus und die nationale Frage”, die er in Wien schrieb und die 1913 veröffentlicht wurde. Nach der Oktoberrevolution wurde Stalin der Volkskommissar für Angelegenheiten der Nationalitäten.
Einer der letzten schrecklichen Stalinistischen Prozesse wurde die “Ärzte-Affäre”. Sie wurde durch Denunziationen 1949 schrittweise als zionistisches “Komplott der Kreml-Ärzte” vorbereitet, durch das das Zentralkommittee und die Regierung vernichtet werden sollten. Im Jänner 1953 erschien eine öffentliche Ankündigung über die Verhaftung der Ärzte-Verschwörer. Sie wurden alle ins Gefängnis geworfen und gefoltert, damit sie gestehen (einer starb an den Schlägen), alle Zeitungen und das Radio trompeteten über das Komplott. Mit seltenen Ausnahmen waren alle “Ärzte-Ungeziefer” Juden und diese Tatsache wurde ständig betont. Es kam nicht zu Verurteilungen: am 5. März 1953 “krepierte der Patron” glücklicherweise, wie es damalige Zeitgenossen ausdrückten. Eines der ersten Anzeichen dafür, dass der Terror zu Ende ging, war die Freilassung und Rehabilitierung der Kreml-Ärzte am 2. April 1953, einen Monat nach Stalins Tod.
18) “Eiche” wird im Russischen auch eine geistig beschränkte Person genannt.
19) Peredwischniki nannte sich eine Gruppe realistischer Künstler, vorwiegend Maler, die sich 1870 in Opposition gegen die Beschränkungen der Kaiserlichen Akademie etablierte und oft Aspekte des täglichen Lebens in kritischer Form darstellte und Ausstellungen in verschiedenen Städten organisierte.
20) Sergey P. Botkin, 1832-1889, Sergey Petrovich Botkin war ein berühmter russischer Arzt und Therapeut, einer der Begründer moderner russischer medizinischer Wissenschaft und medizinischen Unterrichts. Er führte in die russische medizinische Praxis Triage ein, pathologische Anatomie und Post-Mortem Diagnose.
21) Diese Frage wurde wohl durch die Lektüre von Baron Münchhausen inspiriert.
22) Neben seinem ersten Enkel, Glebs Sohn Alioscha Werzhbinskij, 1961 geboren, den Michail Lvvowich noch sah, wurden drei weitere Enkelkinder nach seinem Tod geboren, 1969 Glebs Tochter Asia Wezhbinskaja, 1970 meine ältere Tochter und 1981, schon in Wien, meine jüngere Tochter . Und es gab auch Urenkel: aus der Familie von Alioscha Werzhbinskij in San Francisco Ilya, Dascha und Mark. In Wien wuchs die Tochter meiner älteren Tochter auf. Asia Wezhbinskaja lebt seit langem in England, in London in den letzten Jahren, sie wurde britische Staatsbürgerin, ihre Kinder, Pablo und Francisco, sprechen drei Sprachen, Russisch, Englisch und Spanisch, da ihr Vater mexikanischer Herkunft ist.
In Russland, genauer gesagt in St.Petersburg, lebt von allen Michail Lvovichs Verwandten nur mehr eine Nichte, die Tochter meiner Tante Alia, Tatjana Skragan. Ich selbst bin 1977 mit meinem Mann Boris, meiner Mutter Eleonora und meiner damals 7-jährigen Tochter nach Wien emigriert und hier wurden meine jüngere Tochter und meine Enkelin geboren. Boris starb 1988, mit 50 Jahren in Leningrad, wohin er erstmals seit unserer Emigration gereist war, er ist dort begraben. Meine Mutter Eleonora starb 2002 und ist am Wiener Zentralfriedhof begraben. Mein Bruder väterlicherseits emigirierte mit seiner Frau, seinem Sohn Alioscha und seiner Tochter Asia ein Jahr nach uns, 1978, nach Kalifornien. Gleb lebt heute mit seiner Frau in Berkeley und Alioschas Familie in San Francisco. Mein Bruder mütterlichersweits, Aleksej Machmudov, emigrierte 1984 mit seiner Frau und seinem Sohn Vadim in die USA und starb 2020 in New York.
23) Am sogenannten “Blutigen Sonntag” griffen zaristische Truppen im Jänner 1905 in St. Petersburg eine große Menschenmenge friedlicher Demonstranten an, mit dem Ergebnis hunderter Toter, was weitere Unruhen hervorrief und schließlich zur Revolution 1917 führte.